
Entgegen der landläufigen Meinung entsteht wahre betriebliche Effizienz nicht durch mehr Arbeit oder neue Tools, sondern durch das radikale Eliminieren von Unwesentlichem.
- Die Fokussierung auf wertschöpfende Tätigkeiten statt auf bloße Geschäftigkeit ist der größte Produktivitäts-Hebel.
- Ständige Unterbrechungen und Multitasking sind nicht nur Stressfaktoren, sondern messbare Effizienzkiller, die Burnout fördern.
Empfehlung: Beginnen Sie nicht damit, neue Prozesse hinzuzufügen, sondern erstellen Sie eine „Nicht-To-Do-Liste“, um gezielt Zeitfresser und komplexe Abläufe zu eliminieren.
Kennen Sie das Gefühl? Ihr Team arbeitet hart, die Überstundenkonten füllen sich, und dennoch fühlt es sich an, als würden Sie auf der Stelle treten. Die Antwort der meisten Unternehmen auf diese Stagnation ist ein vorhersehbarer Reflex: neue Software, mehr Meetings, komplexere Prozessoptimierungs-Projekte. Man versucht, Effektivität – die richtigen Dinge zu tun – mit Effizienz – die Dinge richtig zu tun – zu verwechseln. Das Ergebnis ist oft nur eine effizientere Form der Überlastung.
Die gängigen Ratschläge zur Digitalisierung und Prozessoptimierung greifen zu kurz, weil sie das eigentliche Problem ignorieren: Wir tun zu viel. Zu viele Meetings, zu viele Berichte, zu viele unwichtige E-Mails und zu viele Aufgaben, die nur die Illusion von Produktivität erzeugen. Diese Komplexität ist der wahre Feind der Effizienz. Sie bindet wertvolle Ressourcen, senkt die Moral und führt direkt in die Burnout-Falle, die für deutsche Unternehmen ein enormes wirtschaftliches Risiko darstellt.
Aber was, wenn der Schlüssel nicht darin liegt, noch mehr zu tun oder die Dinge schneller zu erledigen, sondern im strategischen Weglassen? Dieser Artikel bricht mit der traditionellen Effizienz-Lehre. Er zeigt Ihnen einen pragmatischen, teils provokanten Ansatz, der speziell auf den deutschen Mittelstand zugeschnitten ist. Wir werden nicht über neue Tools sprechen, sondern darüber, wie Sie durch radikale Reduzierung, konsequenten Fokus und das mutige Eliminieren von Zeitfressern die Produktivität Ihres Teams wirklich entfesseln. Es ist an der Zeit, die Komplexitätsfalle zu verlassen und die enorme Kraft zu entdecken, die im Weglassen liegt.
In den folgenden Abschnitten finden Sie einen strukturierten Fahrplan, um Verschwendung aufzudecken, Komplexität zu eliminieren und eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung zu etablieren, die auf dem Wesentlichen basiert.
Inhaltsverzeichnis: Der Weg zu radikaler Effizienz
- Die Wertstromanalyse: Wie Sie Verschwendung in Ihren Prozessen systematisch aufdecken
- Das Prinzip der Reduzierung: Wie Sie Komplexität in Ihren Abläufen eliminieren
- Die Multitasking-Lüge: Warum das Bearbeiten mehrerer Aufgaben gleichzeitig Ihre Produktivität zerstört
- Die Macht der kleinen Schritte: Wie Sie mit dem Kaizen-Prinzip Ihr Unternehmen Tag für Tag verbessern
- Meetings, E-Mails, Unterbrechungen: So besiegen Sie die größten Zeitfresser im Büro
- Prozess-Mapping für Anfänger: Wie Sie Ihre internen Abläufe visualisieren und Engpässe aufdecken
- Die „Nicht-To-Do-Liste“: Wie Sie lernen, unwichtige Aufgaben radikal zu eliminieren
- Fokus auf das Wesentliche: Wie Sie wertschöpfende Tätigkeiten identifizieren und Ihre Zeit darauf konzentrieren
Die Wertstromanalyse: Wie Sie Verschwendung in Ihren Prozessen systematisch aufdecken
Bevor Sie etwas eliminieren können, müssen Sie es sehen. Die Wertstromanalyse (Value Stream Mapping) ist das chirurgische Skalpell, um Ihre Prozesse freizulegen und klar zwischen wertschöpfenden Tätigkeiten und reiner Verschwendung (Muda) zu unterscheiden. Es geht nicht darum, einzelne Mitarbeiter zu bewerten, sondern den gesamten Fluss der Arbeit von der Anfrage des Kunden bis zur Auslieferung objektiv zu betrachten. Wo sind die Wartezeiten? Wo entstehen unnötige Transportwege, überflüssige Bearbeitungsschritte oder fehlerhafte Zwischenprodukte?
Dieser Blickwinkel deckt oft überraschende Wahrheiten auf. Ein Prozess, der auf dem Papier logisch erscheint, kann in der Praxis durch Dutzende von Mikro-Unterbrechungen, unklare Zuständigkeiten und überflüssige Genehmigungsschleifen blockiert sein. Die Visualisierung dieses Flusses macht die Ineffizienz für das gesamte Team greifbar und schafft die Grundlage für gezielte Verbesserungen. Es ist ein fundamentaler Schritt, um von gefühlter Produktivität zu messbaren Ergebnissen zu gelangen.
Die Relevanz dieses Ansatzes geht über reine Kostensenkung hinaus. Eine Studie zu Nachhaltigkeitsstrategien im deutschen Mittelstand zeigt, dass Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen für 65 % der Unternehmen die wichtigsten Treiber für ihre ESG-Bemühungen sind. Indem Sie Verschwendung reduzieren – sei es Energie, Material oder Arbeitszeit – steigern Sie nicht nur Ihre Marge, sondern auch Ihre Nachhaltigkeitsbilanz.
Das Prinzip der Reduzierung: Wie Sie Komplexität in Ihren Abläufen eliminieren
Nachdem die Wertstromanalyse die Verschwendung sichtbar gemacht hat, beginnt die eigentliche Arbeit: die radikale Entkomplizierung. Deutsche Unternehmen neigen oft dazu, für jedes Problem einen neuen Prozess oder eine neue Regel zu schaffen. Über Jahre entsteht so ein undurchdringliches Dickicht aus Vorschriften, Formularen und Meetings, das jede Agilität erstickt. Das Prinzip der Reduzierung kehrt diese Logik um: Statt zu fragen „Was können wir hinzufügen?“, lautet die Kernfrage „Was können wir weglassen, ohne den Wert für den Kunden zu mindern?“.
Jeder Prozess, jedes Meeting und jeder Report muss sich dieser Frage stellen. Dient dieser Schritt wirklich dem Kundennutzen oder nur der internen Absicherung? Können fünf Genehmigungsschritte durch einen einzigen ersetzt werden? Kann ein 20-seitiger Monatsbericht durch ein einseitiges Dashboard mit den drei wichtigsten KPIs ersetzt werden? Dieser Minimalismus ist kein Selbstzweck, sondern ein strategisches Instrument. Er setzt geistige Kapazität und Ressourcen frei, die dann auf echte, wertschöpfende Tätigkeiten konzentriert werden können.
Dabei geht es um eine bewusste Entscheidung für Einfachheit. Komplexität mag ein Gefühl von Kontrolle und Gründlichkeit vermitteln, ist aber in Wahrheit oft nur ein Versteck für unklare Verantwortlichkeiten und mangelnde Entscheidungsfreude. Mut zur Lücke und das Vertrauen in die Kompetenz der Mitarbeiter sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Entkomplizierung. Das Ziel ist ein System, das so einfach wie möglich, aber nicht einfacher ist.
Aktionsplan: Radikale Entkomplizierung
- Kontaktpunkte identifizieren: Listen Sie alle Kanäle auf, an denen Komplexität entsteht (z.B. überladene Formulare, lange E-Mail-Verteiler, ausufernde Status-Meetings).
- Artefakte sammeln: Inventarisieren Sie bestehende Elemente wie 10-seitige Reports, einstündige Routine-Meetings oder mehrstufige Genehmigungsprozesse.
- Kohärenz prüfen: Konfrontieren Sie jedes Element mit der Frage: „Trägt dies direkt zur Wertschöpfung für den Kunden bei oder ist es nur ‚busy work‘?“
- Gewohnheiten aufdecken: Identifizieren Sie Prozesse, die nur mit „Das haben wir schon immer so gemacht“ begründet werden, und hinterfragen Sie deren Existenzberechtigung.
- Integrationsplan erstellen: Wenden Sie die „Eine-rein-eine-raus“-Regel an: Für jeden neuen Prozess muss ein alter, weniger wichtiger Prozess eliminiert werden.
Die Multitasking-Lüge: Warum das Bearbeiten mehrerer Aufgaben gleichzeitig Ihre Produktivität zerstört
In der modernen Arbeitswelt gilt Multitasking oft als Tugend, als Zeichen von Belastbarkeit und Effizienz. Die Realität ist das genaue Gegenteil: Es ist einer der größten Produktivitätskiller überhaupt. Unser Gehirn ist nicht für die gleichzeitige Bearbeitung mehrerer aufmerksamkeitsintensiver Aufgaben ausgelegt. Was wir als Multitasking wahrnehmen, ist in Wahrheit ein schnelles, aber extrem ineffizientes Umschalten zwischen Aufgaben, das sogenannte „Task Switching“.
Jeder Wechsel kostet mentale Energie und Zeit. Es dauert Minuten, bis man nach einer Unterbrechung – sei es eine aufpoppende E-Mail, eine Chat-Nachricht oder ein Anruf – wieder die volle Konzentration auf die ursprüngliche Aufgabe erreicht hat. Eine Studie der Techniker Krankenkasse bestätigt dies eindrücklich: Zu den Hauptbelastungsfaktoren deutscher Arbeitnehmer gehören zu viel Arbeit (32 %), Termindruck (32 %) und ständige Unterbrechungen (28 %). Diese Faktoren sind direkte Folgen einer Kultur, die ständige Erreichbarkeit und Multitasking fördert.

Die langfristigen Konsequenzen sind verheerend und reichen von einer erhöhten Fehlerquote über sinkende Arbeitsqualität bis hin zu chronischem Stress. Der AOK Fehlzeiten-Report zeigt eine alarmierende Entwicklung: Die durch Burnout verursachten Fehltage sind dramatisch gestiegen. Der Versuch, alles gleichzeitig zu machen, führt nicht zu mehr Output, sondern direkt in die Erschöpfung. Wie der AOK Fehlzeiten-Report 2024 eine dramatische Zunahme aufzeigt, sind es 184 Arbeitsunfähigkeitstage pro 100 AOK-Mitglieder, die auf Burnout zurückzuführen sind. Echte Effizienz entsteht durch tiefgehende, ungestörte Konzentration auf eine einzige Aufgabe – das sogenannte „Deep Work“.
Die Macht der kleinen Schritte: Wie Sie mit dem Kaizen-Prinzip Ihr Unternehmen Tag für Tag verbessern
Viele deutsche Unternehmen setzen bei Veränderungen auf den „großen Wurf“: das disruptive Quartalsprojekt, die komplette Software-Migration oder die umfassende Reorganisation. Solche Mammutprojekte sind teuer, riskant und stoßen oft auf Widerstand beim Betriebsrat und den Mitarbeitern. Das Kaizen-Prinzip bietet einen fundamental anderen, weitaus nachhaltigeren Ansatz: die kontinuierliche Verbesserung in kleinen, täglichen Schritten. Anstatt auf die seltene, revolutionäre Idee zu warten, wird jeder Mitarbeiter ermutigt, jeden Tag kleine Verbesserungen in seinem eigenen Arbeitsbereich zu identifizieren und umzusetzen.
Diese Philosophie verlagert die Verantwortung für die Prozessoptimierung von einer kleinen Gruppe von Managern auf das gesamte Team. Die wahren Experten für einen Prozess sind diejenigen, die täglich damit arbeiten. Kaizen gibt ihnen die Werkzeuge und die Erlaubnis, ihr Umfeld aktiv zu gestalten. Es geht darum, eine Kultur zu schaffen, in der „Gut genug“ niemals das Ende ist und in der Vorschläge zur Beseitigung von Reibungsverlusten nicht nur willkommen, sondern erwartet werden.
Der entscheidende Vorteil dieses Ansatzes liegt in seiner geringen Eintrittsbarriere und seiner kumulativen Wirkung. Eine kleine Verbesserung mag für sich genommen unbedeutend erscheinen. Hunderte dieser kleinen Verbesserungen über ein Jahr hinweg führen jedoch zu einer transformativen Steigerung der Effizienz und Qualität, ohne die Organisation durch massive Veränderungen zu überfordern. Es ist die konsequente Anwendung des Zinseszins-Effekts auf die betriebliche Leistung.
Der folgende Vergleich zeigt die fundamentalen Unterschiede zwischen dem Kaizen-Ansatz und der traditionellen, oft projektbasierten kontinuierlichen Verbesserung (KVP) in deutschen Unternehmen, wie sie von Experten für Prozessoptimierung analysiert wird.
| Aspekt | Kaizen-Ansatz | Traditioneller KVP |
|---|---|---|
| Frequenz | Tägliche kleine Verbesserungen | Quartalsweise Projekte |
| Mitarbeiterbeteiligung | Alle Ebenen aktiv eingebunden | Primär Management-getrieben |
| Betriebsrat-Integration | Als Partner von Anfang an | Information nach Entscheidung |
| Messbare Ergebnisse | Kontinuierlicher Fortschritt | Sprunghafte Veränderungen |
Meetings, E-Mails, Unterbrechungen: So besiegen Sie die größten Zeitfresser im Büro
Selbst die besten Prozesse sind wirkungslos, wenn der Arbeitstag durch eine Flut von Meetings, E-Mails und ständigen Unterbrechungen zerstückelt wird. Diese Zeitfresser sind die Symptome einer schlechten Kommunikationskultur und der größte Feind konzentrierter Arbeit. Ein Meeting ohne klare Agenda und definiertes Ziel ist keine Zusammenarbeit, sondern organisierter Zeitdiebstahl. Eine E-Mail mit zehn Personen im CC ist keine Information, sondern eine Verlagerung von Verantwortung. Jede unerwartete Frage eines Kollegen reißt nicht nur den Gefragten, sondern oft auch den Fragenden aus einer produktiven Phase.

Der Kampf gegen diese Zeitfresser erfordert klare Regeln und diszipliniertes Handeln. Führen Sie eine radikale Meeting-Hygiene ein: Kein Meeting ohne Agenda, kein Meeting länger als 30 Minuten und kein Meeting, das auch eine E-Mail hätte sein können. Ermutigen Sie Ihr Team, asynchron zu kommunizieren und etablieren Sie meeting-freie Zeitfenster, in denen ungestörtes Arbeiten die oberste Priorität hat. Dies respektiert die Aufmerksamkeits-Ökonomie und behandelt die Konzentration Ihrer Mitarbeiter als wertvollste Ressource.
Besonders die E-Mail-Flut lässt sich durch eine verbindliche Charta eindämmen. Klare Regeln, wann und wie E-Mails versendet werden, reduzieren das Volumen drastisch und verbessern die Qualität der Kommunikation. Solche Vereinbarungen sind keine Bürokratie, sondern ein Schutzschild für die Produktivität.
- Klare Betreffzeilen mit Handlungsaufforderung: Beginnen Sie den Betreff mit [INFO], [AKTION] oder [ENTSCHEIDUNG], damit der Empfänger die Dringlichkeit sofort einschätzen kann.
- Strikte CC-Regel: Setzen Sie maximal drei Personen ins CC und nur dann, wenn die Information für sie direkt relevant ist und keine Aktion erfordert.
- 24-Stunden-Antwortzeit: Etablieren Sie eine garantierte Antwortzeit für interne Mails als Standard, um die Erwartungshaltung zu managen und ständige Nachfragen zu vermeiden.
- Recht auf Nichterreichbarkeit: Definieren Sie klare Regeln wie „Keine E-Mails nach 18 Uhr oder am Wochenende“. Dies ist in Deutschland ein wichtiges Signal und fördert die Erholung.
- Meeting-freie Zeitfenster: Blocken Sie täglich feste Zeiten, z.B. von 9 bis 11 Uhr, in denen keine Meetings stattfinden dürfen, um konzentriertes Arbeiten zu ermöglichen.
Prozess-Mapping für Anfänger: Wie Sie Ihre internen Abläufe visualisieren und Engpässe aufdecken
Während die Wertstromanalyse ein mächtiges, aber auch komplexes Werkzeug ist, bietet das Prozess-Mapping einen einfacheren Einstieg in die Visualisierung Ihrer Abläufe. Es geht darum, einen Prozess Schritt für Schritt aufzuzeichnen, um für alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Wer tut was? Welche Informationen werden benötigt? Welche Systeme werden genutzt? Wo wird eine Entscheidung getroffen? Diese einfache Visualisierung ist oft ein Augenöffner und deckt schnell erste Engpässe (Bottlenecks) und Redundanzen auf.
Der große Vorteil des Prozess-Mappings liegt in seiner Zugänglichkeit. Sie benötigen keine teure Software; ein Whiteboard, Post-its und ein Team von Prozessbeteiligten genügen für den Anfang. Beginnen Sie mit einem Prozess, der häufig zu Problemen führt oder direkt den Kunden betrifft, wie etwa die Bearbeitung einer Reklamation oder die Erstellung eines Angebots. Die gemeinsame Diskussion während des Mappings fördert nicht nur das Verständnis, sondern oft auch die ersten, einfach umzusetzenden Verbesserungsideen.
Im deutschen Unternehmenskontext ist die Wahl der Werkzeuge entscheidend. Die Visualisierung von Prozessen berührt oft sensible Daten, weshalb DSGVO-Konformität oberste Priorität hat. Glücklicherweise gibt es spezialisierte deutsche Anbieter, die diesen Anforderungen gerecht werden. Die Digitalisierung auf Basis eines klaren Prozess-Mappings ist ein enormer Hebel. Laut einer Studie zu digitaler Prozessoptimierung im deutschen Mittelstand können bis zu 50 % der manuellen Arbeitsprozesse durch digitale Technologien automatisiert werden, was zum Beispiel die Reklamationsbearbeitung um 40 % beschleunigen kann. Dies zeigt, wie aus einer einfachen Visualisierung konkrete, messbare Erfolge entstehen können.
Die „Nicht-To-Do-Liste“: Wie Sie lernen, unwichtige Aufgaben radikal zu eliminieren
Die vielleicht mächtigste und zugleich am meisten unterschätzte Waffe im Arsenal der Effizienz ist nicht die To-Do-Liste, sondern ihr Gegenstück: die Nicht-To-Do-Liste. Dieses Konzept des strategischen Weglassens ist der Kernpunkt dieses Artikels. Während eine To-Do-Liste endlos wachsen kann und oft ein Gefühl der Überforderung erzeugt, zwingt eine Nicht-To-Do-Liste zu Klarheit und Fokus. Sie definieren proaktiv, welche Aufgaben, Meetings oder Anfragen Sie ignorieren oder ablehnen werden, weil sie nicht zu Ihren Kernprioritäten beitragen.
Dies erfordert Mut und Disziplin. In der deutschen Geschäftskultur, die oft auf Konsens und Gefälligkeit ausgelegt ist, kann ein „Nein“ als unhöflich oder unkooperativ empfunden werden. Doch ein strategisches „Nein“ zu einer unwichtigen Anfrage ist ein klares „Ja“ zu Ihren wirklich wichtigen Zielen. Es ist eine Form des Respekts vor der eigenen Zeit und der Ihrer wichtigsten Stakeholder. Es geht nicht darum, unhöflich zu sein, sondern darum, seine begrenzten Ressourcen bewusst zu schützen.
Die Kunst besteht darin, Absagen professionell und wertschätzend zu formulieren. Erklären Sie kurz den Grund für Ihre Absage, oft unter Berufung auf bestehende Prioritäten, ohne sich in lange Rechtfertigungen zu verstricken. Hier sind einige praxiserprobte Formulierungshilfen, die in der deutschen Geschäftswelt gut funktionieren:
- Bei Anfragen mit niedriger Priorität: „Vielen Dank für Ihre Anfrage. Um unsere aktuellen Qualitätsversprechen einhalten zu können, konzentrieren wir uns derzeit auf [Kernbereich]. Gerne komme ich im [Zeitraum] darauf zurück.“
- Bei Meetinganfragen ohne klare Agenda: „Ich schätze den Austausch sehr. Könnten wir zunächst per E-Mail die Kernpunkte klären? Das spart uns beiden wertvolle Zeit.“
- Bei zusätzlichen Projekten: „Das Projekt klingt spannend. Um die Qualität unserer laufenden Verpflichtungen zu gewährleisten, müssten wir zunächst [Projekt X] abschließen.“
- Bei spontanen Unterbrechungen: „Ich verstehe die Dringlichkeit. Lassen Sie uns um [konkrete Uhrzeit] darüber sprechen, damit ich Ihnen meine volle Aufmerksamkeit widmen kann.“
Das Wichtigste in Kürze
- Effizienz ist nicht das Ergebnis von mehr Arbeit, sondern von weniger, aber fokussierterer Arbeit.
- Die größten Effizienzkiller sind Komplexität, Multitasking und eine Kultur der ständigen Unterbrechung.
- Radikale Eliminierung von Unwesentlichem (strategisches Weglassen) ist der stärkste Hebel zur Produktivitätssteigerung.
Fokus auf das Wesentliche: Wie Sie wertschöpfende Tätigkeiten identifizieren und Ihre Zeit darauf konzentrieren
Alle bisherigen Werkzeuge und Prinzipien – Wertstromanalyse, Reduzierung, Kaizen und die Nicht-To-Do-Liste – münden in einem einzigen Ziel: den Fokus auf das Wesentliche. Es geht darum, jene 20 % der Aktivitäten zu identifizieren, die 80 % des Wertes für Ihr Unternehmen und Ihre Kunden schaffen, und Ihre gesamte Energie darauf zu konzentrieren. Alles andere ist im besten Fall zweitrangig, im schlimmsten Fall eine Verschwendung wertvoller Ressourcen.
Dieser Wertschöpfungs-Fokus ist mehr als nur ein Zeitmanagement-Trick; er ist eine strategische Notwendigkeit. In einer Welt wachsender Komplexität und globalen Wettbewerbs können es sich deutsche Mittelständler nicht mehr leisten, ihre Kraft in internen Reibungsverlusten zu verpuffen. Wie Dr. Claudia Schrimpf-Dörges, Head of ESG bei Grant Thornton Deutschland, treffend formuliert, ist dieser Fokus direkt mit der Zukunftsfähigkeit verbunden:
ESG stärkt Resilienz, Innovationskraft und Marktposition. Wer heute nachhaltig handelt, wird morgen wettbewerbsfähiger sein.
– Dr. Claudia Schrimpf-Dörges, Head of ESG, Grant Thornton Deutschland
Nachhaltigkeit und Effizienz sind zwei Seiten derselben Medaille. Beide erfordern die bewusste Entscheidung, Ressourcen nicht zu verschwenden, sondern sie gezielt dort einzusetzen, wo sie die größte positive Wirkung entfalten. Eine aktuelle Studie bestätigt diesen Trend: Eine Analyse von BDO zeigt, dass 94 % der europäischen Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsbudgets für das kommende Jahr halten oder sogar erhöhen. Dies ist ein klares Indiz dafür, dass der Fokus auf langfristige Wertschöpfung gegenüber kurzfristiger Geschäftigkeit an strategischer Bedeutung gewinnt.
Ihre Aufgabe als Führungskraft ist es, diesen Fokus vorzuleben und die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Ihr Team folgen kann. Schützen Sie die Zeit Ihrer Mitarbeiter, hinterfragen Sie Rituale und belohnen Sie nicht Geschäftigkeit, sondern Ergebnisse. Der Weg zu mehr Effizienz führt unweigerlich über weniger, aber Besseres.
Häufige Fragen zur betrieblichen Effizienz
Welche DSGVO-konformen Tools eignen sich für deutsche KMUs zum Prozess-Mapping?
Für kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland empfehlen sich Anbieter, die speziell auf deutsche und europäische Datenschutzanforderungen ausgelegt sind. Dazu gehören Lösungen wie Signavio (Teil von SAP), Celonis oder die kostenfreie Version ARIS Express. Diese Werkzeuge gewährleisten, dass bei der Visualisierung von Prozessen keine Datenschutzverletzungen riskiert werden.
Wie bindet man den Betriebsrat beim Prozess-Mapping richtig ein?
Die Einbindung des Betriebsrats sollte frühzeitig, transparent und partnerschaftlich erfolgen. Informieren Sie das Gremium über die Ziele (Effizienzsteigerung, Qualitätsverbesserung), bevor Sie mit dem Mapping beginnen. Führen Sie gemeinsame Workshops zur Ist-Analyse durch und kommunizieren Sie klar, dass das Ziel nicht der Personalabbau, sondern die Verbesserung der Arbeitsabläufe ist. Ein als Partner behandelter Betriebsrat kann ein wertvoller Multiplikator für den Veränderungsprozess sein.
Welche Prozesse sollten zuerst gemappt werden?
Beginnen Sie dort, wo der „Schmerz“ am größten ist oder der Erfolg am schnellsten sichtbar wird. Ideal sind kundennahe Prozesse wie die Reklamationsbearbeitung, die Angebotsstellung oder der Onboarding-Prozess für Neukunden. Verbesserungen in diesen Bereichen sind für den Kunden direkt spürbar, steigern die Zufriedenheit und lassen sich oft gut in konkreten Zahlen (z.B. verkürzte Bearbeitungszeit) messen, was die Motivation für weitere Projekte erhöht.