Veröffentlicht am März 11, 2024

Kulturerbe ist kein stilles Monument der Vergangenheit, sondern eine aktive Ressource, die unsere heutige Identität formt und Lösungsansätze für die Zukunft bereithält.

  • Es lebt in unseren alltäglichen Ausdrucksformen wie Dialekten und Traditionen fort und stiftet Gemeinschaft.
  • Moderne Technologie sichert dieses kollektive Gedächtnis nicht nur, sondern macht es für jeden zugänglich und erlebbar.

Empfehlung: Beginnen Sie einen aktiven Dialog mit dem Erbe in Ihrer Umgebung. Nur durch die eigene Auseinandersetzung entfaltet es seinen wahren, lebensverändernden Wert.

Erinnern Sie sich an den Geschichtsunterricht? Für viele war es eine trockene Abfolge von Jahreszahlen, Namen und fernen Schlachten – ein Fach, das mehr mit verstaubten Büchern als mit dem eigenen Leben zu tun hatte. Diese Wahrnehmung führt oft zu einem Missverständnis darüber, was kulturelles Erbe wirklich ist. Wir denken an imposante Burgen, ehrwürdige Dome oder die stillen Hallen eines Museums. Wir sehen es als etwas Statisches, Abgeschlossenes, das von Experten hinter Glasvitrinen verwaltet wird und das wir aus sicherer Entfernung betrachten.

Doch diese Perspektive greift zu kurz. Sie übersieht die dynamische, pulsierende Kraft, die dem Erbe innewohnt. Was wäre, wenn Kulturerbe kein passives Substantiv, sondern ein aktives Verb ist? Was, wenn es weniger ein abgeschlossener Monolog der Vergangenheit ist und vielmehr ein fortwährender, lebendiger Dialog mit unserer Gegenwart? Die wahre Essenz des kulturellen Erbes liegt nicht in den Steinen selbst, sondern in den Geschichten, die sie uns erzählen, in den Werten, die sie verkörpern, und in der Identität, die sie uns verleihen. Es ist ein aktives Gedächtnis, das in unserer Sprache, unseren Festen und sogar unseren digitalen Spuren weiterlebt.

Dieser Artikel lädt Sie ein, diese Sichtweise zu erkunden. Wir werden entdecken, dass das kulturelle Erbe kein Museumsstück ist, sondern ein lebendiges System und eine wertvolle Zukunftsressource. Es ist ein Werkzeugkasten für die Seele, der uns hilft zu verstehen, wer wir sind, woher wir kommen und – was am wichtigsten ist – wohin wir gemeinsam gehen können.

Um die vielen Facetten dieses lebendigen Gedächtnisses zu beleuchten, führt unser Weg von den mythischen Erzählungen der Nibelungen über die Klangvielfalt deutscher Dialekte bis hin zu den ganz konkreten Möglichkeiten, wie jeder Einzelne von uns zum Bewahrer und Gestalter dieses unschätzbaren Schatzes werden kann.

Von Nibelungen und Loreley: Was uns alte deutsche Sagen über unsere Kultur verraten

Sagen und Mythen sind weit mehr als nur alte Geschichten. Sie sind das Fundament des kollektiven Gedächtnisses einer Kultur, ein Echo von Ängsten, Werten und Träumen vergangener Generationen. In Deutschland nehmen Erzählungen wie das Nibelungenlied oder die Sage von der Loreley eine besondere Stellung ein. Sie sind keine bloßen Märchen, sondern komplexe kulturelle Codes, die bis heute nachwirken. Das Nibelungenlied etwa, mit seinen Themen von Treue, Verrat, Rache und unermesslichem Reichtum, formte über Jahrhunderte ein Bild von germanischer Heldenhaftigkeit und Tragik.

Die Bedeutung dieser Texte ist so tiefgreifend, dass die wichtigsten drei Handschriften des Nibelungenlieds aus dem 13. Jahrhundert im Jahr 2009 in das „Memory of the World“-Register der UNESCO aufgenommen wurden. Diese Anerkennung unterstreicht ihren universellen Wert. Wie die Deutsche UNESCO-Kommission hervorhebt:

Das Nibelungenlied gilt als herausragendes Beispiel der europäischen Heldenepik, vergleichbar mit der griechischen Troia-Sage.

– Deutsche UNESCO-Kommission, UNESCO Weltdokumentenerbe Deutschland

Diese Erzählungen sind keine Relikte. Sie sind ein aktiver Teil des kulturellen Dialogs. Wenn wir heute am Rhein stehen und an die verführerische Loreley denken, verbinden wir uns mit der romantischen Weltsicht des 19. Jahrhunderts, die diese Sagengestalt populär machte. Diese Mythen liefern die Identitäts-Werkzeuge, mit denen wir unsere eigene Kulturlandschaft – sowohl die geografische als auch die geistige – deuten und emotional erfahren können.

Mystische Darstellung deutscher Sagenwelt mit Rheinlandschaft und mythologischen Elementen

Die Auseinandersetzung mit diesen alten Sagen ist somit keine Flucht in die Vergangenheit, sondern eine aktive Erkundung der Wurzeln unserer heutigen Wertvorstellungen und emotionalen Prägungen. Sie zeigen, dass Kultur nicht nur aus Fakten, sondern auch aus tief verankerten Narrativen besteht, die das Denken und Fühlen über Epochen hinweg formen.

Sprache als Erbe: Warum Dialekte ein schützenswertes Kulturgut sind

Sprache ist das vielleicht lebendigste Kulturerbe überhaupt. Sie ist kein starres Regelwerk, sondern ein sich ständig wandelnder Organismus, der Geschichte, soziale Zugehörigkeit und regionale Identität in sich trägt. Dialekte sind dabei die farbenprächtigsten Blüten dieses Sprachbaums. Ob Bayerisch, Schwäbisch, Sächsisch oder Plattdeutsch – sie sind weit mehr als nur eine „falsche“ Aussprache des Hochdeutschen. Sie sind eigenständige Sprachsysteme mit einzigartigem Wortschatz, eigener Grammatik und Melodie. In ihnen ist die Geschichte einer Region konserviert.

Die Vielfalt ist beeindruckend: Sprachwissenschaftler gehen davon aus, dass es in Deutschland bis zu 20 verschiedene Dialektgruppen gibt. Jede von ihnen zeichnet ein akustisches Porträt ihrer Heimat. Ein Wort wie „Brötchen“ kann je nach Region als Semmel, Schrippe, Weckle oder Rundstück bezeichnet werden und verrät sofort die Herkunft des Sprechers. Dies zeigt, dass Dialekte ein unmittelbarer Ausdruck von lokaler Identität und Zugehörigkeit sind. Sie schaffen ein Gefühl von Heimat und Gemeinschaft, das die standardisierte Hochsprache oft nicht vermitteln kann.

Die Vitalität dieser sprachlichen Erbstücke ist jedoch regional sehr unterschiedlich. Eine Untersuchung des Instituts für Deutsche Sprache zeigt, dass Dialekte besonders im Süden Deutschlands, in Bayern und Baden-Württemberg, aber auch in Sachsen, Thüringen und dem Saarland lebendig sind. Dort existiert oft eine selbstverständliche Mischung aus Standardsprache und Mundart im Alltag. Im Gegensatz dazu wird beispielsweise das Plattdeutsche im Norden oft als eigenständige Sprache wahrgenommen, was paradoxerweise zu seinem Rückgang führt, da es seltener im täglichen Sprachgebrauch flexibel integriert wird. Dieses Phänomen verdeutlicht, dass Sprache nur überlebt, wenn sie Teil des lebendigen Systems der alltäglichen Kommunikation bleibt.

Der Schutz von Dialekten ist daher keine nostalgische Liebhaberei, sondern der Erhalt eines reichen kulturellen Gedächtnisses. Mit jedem verschwindenden Dialekt geht nicht nur eine Klangfarbe verloren, sondern auch ein einzigartiger Blick auf die Welt, der in den spezifischen Wörtern und Redewendungen einer Region gespeichert ist.

Vom Schützenfest bis zum Weihnachtsmarkt: Warum wir traditionelle Feste zum Leben brauchen

Kulturelles Erbe manifestiert sich nicht nur in steinernen Monumenten oder alten Texten, sondern vor allem in den lebendigen Handlungen der Menschen. Traditionelle Feste wie das lokale Schützenfest, die Kirmes oder die landesweiten Weihnachtsmärkte sind ein Paradebeispiel für dieses immaterielle Kulturerbe. Sie sind der soziale Kitt, der Gemeinschaften zusammenhält, und strukturieren das Jahr mit wiederkehrenden Ritualen, die Sicherheit und Vorfreude spenden. Auf den ersten Blick mögen sie wie reine Vergnügungsveranstaltungen wirken, doch ihre Funktion geht weit tiefer.

Diese Feste sind ein zentraler Ort des kulturellen Dialogs. Generationen treffen aufeinander, altes Wissen über Bräuche, Lieder oder Handwerkstechniken wird weitergegeben und gleichzeitig neu interpretiert. Ein Schützenfest ist nicht nur ein Schießwettbewerb; es ist ein komplexes soziales Gefüge mit festen Rollen, traditioneller Kleidung und einem über das Jahr gewachsenen Vereinsleben. Weihnachtsmärkte sind nicht nur Verkaufsorte, sondern inszenierte Räume, die eine ganz bestimmte Ästhetik, Geruchs- und Geschmackswelt erschaffen und damit ein starkes Gefühl von kollektiver Identität und saisonaler Stimmung erzeugen.

Die Anerkennung der Bedeutung solcher Traditionen wächst, wie der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Bernd Sibler, treffend formulierte:

Kulturerbe ist innovativ und kreativ! Das zeigen einmal mehr die Neueinträge in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes.

– Bernd Sibler, Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst

Diese Aussage unterstreicht, dass Traditionen keine starren Wiederholungen sind. Jede Generation fügt neue Elemente hinzu, passt sie an die Gegenwart an und sorgt so dafür, dass das Erbe lebendig bleibt. Die Feste sind eine Bühne, auf der eine Gemeinschaft sich selbst feiert und ihre Werte und ihre Geschichte für alle sichtbar und erlebbar macht. In einer zunehmend globalisierten und digitalisierten Welt bieten diese lokalen und regionalen Ankerpunkte einen unverzichtbaren Raum für echte, physische Begegnung und gemeinsame Erfahrung.

Das digitale Gedächtnis: Wie Technologie hilft, unser Kulturerbe für die Ewigkeit zu bewahren

Die Bewahrung unseres kulturellen Erbes steht vor einer gewaltigen Herausforderung: Materielle Objekte wie Bücher, Gemälde oder Gebäude sind von Zerfall bedroht. Gleichzeitig entsteht eine neue Form des Erbes im digitalen Raum, die ebenso flüchtig sein kann. Hier erweist sich die Technologie nicht als Feind der Tradition, sondern als ihr mächtigster Verbündeter. Die Digitalisierung ermöglicht es, das kollektive Gedächtnis der Menschheit zu sichern, zu vernetzen und auf eine Weise zugänglich zu machen, die vor wenigen Jahrzehnten noch unvorstellbar war.

Ein herausragendes Beispiel für diese Bemühungen in Deutschland ist die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB). Sie ist weit mehr als nur eine Datenbank. Man kann sie sich als das zentrale Nervensystem des deutschen Kulturerbes vorstellen. Die DDB vernetzt die digitalen Bestände von rund 30.000 Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen – von Archiven über Museen bis hin zu Bibliotheken. Dadurch schafft sie einen einzigen, zentralen Zugangspunkt zu Millionen von Büchern, Bildern, Filmen, Noten und anderen Kulturgütern. Ein Forscher oder ein neugieriger Bürger muss nicht mehr physisch Dutzende von Institutionen besuchen; er kann das vernetzte Wissen von seinem Schreibtisch aus erkunden.

Diese Arbeit geschieht nicht nur im Großen. Gezielte Förderprogramme stellen sicher, dass auch die fragilsten Teile unseres Erbes nicht verloren gehen. Die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) hat beispielsweise allein im Jahr 2024 Mittel bereitgestellt, mit denen 40 Modellprojekte zur Bewahrung von fragilem Schriftgut gefördert wurden. Solche Initiativen sind entscheidend, um einzigartige Dokumente vor Säurefraß oder Feuchtigkeitsschäden zu retten und sie für die Digitalisierung vorzubereiten. Die Technologie schafft hier ein digitales Faksimile, das das Original schont und gleichzeitig den globalen Zugang ermöglicht.

Die Digitalisierung ist somit ein doppelter Gewinn: Sie ist sowohl ein Akt der Konservierung als auch ein Akt der Demokratisierung. Sie schützt das Erbe vor dem physischen Verfall und befreit es gleichzeitig aus den Depots und Archiven, um es zu einem aktiven Teil des globalen kulturellen Dialogs zu machen. Das Gedächtnis der Menschheit wird so nicht nur bewahrt, sondern auch unendlich erweitert und für jeden erlebbar gemacht.

Mehr als nur spenden: Wie Sie sich aktiv für den Schutz des Kulturerbes in Ihrer Stadt einsetzen können

Das Gefühl, dass Kulturerbe die Aufgabe von Staaten und großen Stiftungen sei, führt oft zu einer passiven Haltung. Doch das Gegenteil ist der Fall: Kulturerbe lebt von der Teilhabe und dem Engagement der Bürger. Es gibt unzählige Möglichkeiten, über eine reine Geldspende hinauszugehen und selbst zum aktiven Gestalter und Bewahrer des Erbes in der eigenen Umgebung zu werden. Dieser persönliche Einsatz ist es, der aus einem alten Gebäude oder einem vergessenen Brauch wieder einen lebendigen Teil der Gemeinschaft macht.

Der erste Schritt ist oft, die Augen für das eigene Umfeld zu öffnen. Welches historische Gebäude in Ihrer Straße verfällt? Welche lokale Geschichte droht in Vergessenheit zu geraten? Sich aktiv zu beteiligen, bedeutet, Verantwortung für dieses lokale Gedächtnis zu übernehmen. Ob durch praktische Hilfe, Wissensvermittlung oder die Organisation von Veranstaltungen – Bürgerengagement ist das Immunsystem, das das Kulturerbe vor dem Vergessen und dem Verfall schützt. Es verwandelt Betrachter in Teilnehmer und schafft eine tiefere, persönliche Verbindung zum eigenen Lebensumfeld.

Menschen verschiedener Generationen bei gemeinsamer Restaurierungsarbeit an historischem Gebäude

Die Möglichkeiten sind vielfältig und oft einfacher umzusetzen, als man denkt. Es geht darum, vom Wissen zum Handeln zu kommen und den kulturellen Dialog aktiv mitzugestalten. Die folgende Liste bietet einen konkreten Fahrplan für alle, die mehr tun wollen, als nur zuzusehen.

Ihr Aktionsplan zum Schutz des lokalen Kulturerbes

  1. Punkte entdecken: Machen Sie einen Spaziergang durch Ihre Stadt und listen Sie Orte auf, die eine Geschichte erzählen – Denkmäler, historische Gebäude, aber auch Orte lokaler Sagen.
  2. Wissen sammeln: Recherchieren Sie die Geschichte dieser Orte. Sprechen Sie mit älteren Anwohnern, besuchen Sie das Stadtarchiv oder nutzen Sie digitale Bibliotheken.
  3. Netzwerke knüpfen: Suchen Sie Kontakt zu lokalen Geschichtsvereinen, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz oder Bürgerinitiativen. Finden Sie heraus, wo Hilfe gebraucht wird.
  4. Sichtbarkeit schaffen: Organisieren Sie eine kleine Führung für Freunde am Tag des offenen Denkmals oder starten Sie einen Social-Media-Kanal, um die Geschichten Ihrer Stadt zu teilen.
  5. Aktiv werden: Werden Sie Pate für ein Denkmal, helfen Sie bei der Gartenpflege eines historischen Parks oder beteiligen Sie sich an einem Citizen-Science-Projekt zur Dokumentation lokaler Bräuche.

Jeder dieser Schritte, egal wie klein, trägt dazu bei, das abstrakte Konzept „Kulturerbe“ mit persönlichem Leben zu füllen. Es ist die Summe dieser individuellen Bemühungen, die das Gedächtnis einer Gemeinschaft lebendig und widerstandsfähig macht.

Mehr als nur Steine: Warum der rheinische Karneval genauso ein Kulturerbe ist wie der Kölner Dom

Fragt man nach Kulturerbe in Köln, lautet die erste Antwort fast immer: der Dom. Als Meisterwerk gotischer Architektur und UNESCO-Welterbestätte ist er der Inbegriff des materiellen, also anfassbaren Erbes. Doch direkt daneben existiert ein weiteres, ebenso bedeutsames Erbe, das jedoch flüchtig, laut und lebendig ist: der rheinische Karneval. Dieser Vergleich verdeutlicht perfekt den Unterschied und die gleichzeitige Gleichwertigkeit von materiellem und immateriellem Kulturerbe.

Der Dom steht für die Ewigkeit. Seine Steine erzählen von Jahrhunderten des Glaubens, der Handwerkskunst und der städtischen Geschichte. Er ist ein passiver Speicher von Kultur. Der Karneval hingegen ist das genaue Gegenteil: Er existiert nur im Moment seiner Aufführung. Er besteht aus Musik, Tänzen, Rufen („Alaaf!“), Ritualen und einer temporären sozialen Ordnung, in der Hierarchien auf den Kopf gestellt werden. Er ist ein aktiver Ausdruck von Kultur, der jedes Jahr aufs Neue von Hunderttausenden von Menschen geschaffen und gelebt wird. Er ist ein klassisches Beispiel für ein lebendiges System.

Die wirtschaftliche und soziale Bedeutung dieses immateriellen Erbes ist immens. Der Karneval ist nicht nur ein Fest, sondern ein ganzjähriger Wirtschaftsfaktor. Wie Experten für das Welterbe in Deutschland betonen, bildet der rheinische Karneval eine komplette Wertschöpfungskette. Diese reicht von Schneidern für die Kostüme über Wagenbauer für die Umzüge bis hin zu Textern und Musikern, die eine lokale Kreativwirtschaft am Leben erhalten. Das Vereinswesen, das den Karneval trägt, fungiert zudem als wichtiges soziales Netzwerk, das weit über die „fünfte Jahreszeit“ hinaus wirkt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt.

Der Kölner Dom und der rheinische Karneval sind also zwei Seiten derselben Medaille. Das eine ist das steinerne Gedächtnis der Stadt, das andere ihr pulsierender Herzschlag. Die Anerkennung des Karnevals als immaterielles Kulturerbe zeigt, dass der Wert einer Kultur nicht nur in ihren Monumenten liegt, sondern ebenso in ihren gelebten Traditionen, ihrer Fähigkeit zum gemeinsamen Feiern und zur kreativen Selbstinszenierung.

Keine Langeweile im Museum: Wie Sie Ihre Kinder für Kunst begeistern

Für viele Erwachsene ist ein Museum ein Ort der Ruhe und Kontemplation. Für Kinder kann es schnell zu einem Ort der Langeweile werden: lange Gänge, unverständliche Bilder und die ständige Ermahnung, leise zu sein und nichts anzufassen. Doch gerade Museen sind Schatzkammern des kulturellen Erbes, und die Begeisterung dafür lässt sich früh wecken, wenn man den Besuch zu einem Abenteuer statt zu einer Pflichtübung macht. Der Schlüssel liegt darin, den passiven Betrachtermodus zu verlassen und in einen aktiven Entdeckermodus zu wechseln.

Statt einen erschöpfenden Rundgang durch die gesamte Sammlung anzustreben, ist es effektiver, sich wenige Werke gezielt auszusuchen. Die Kunstvermittlung für Kinder funktioniert am besten über Interaktion und spielerische Elemente. Es geht nicht darum, kunsthistorische Fakten zu pauken, sondern darum, eine persönliche Beziehung zu einem Kunstwerk aufzubauen. Eine einfache Frage wie „Was für Geräusche würde dieses Bild machen, wenn es lebendig wäre?“ oder „Welche Figur hier wärst du am liebsten und warum?“ kann eine tiefere Auseinandersetzung anstoßen als jede Informationstafel.

Zahlreiche Museen in Deutschland haben diesen Bedarf erkannt und bieten fantastische Programme an. Es ist beeindruckend, dass laut dem Verein UNESCO-Welterbestätten Deutschland e.V. bereits 55 UNESCO-Welterbestätten in Deutschland spezielle Programme und Materialien für Kinder und Jugendliche anbieten. Dies zeigt ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass die nächste Generation von Kulturerbe-Botschaftern heute begeistert werden muss. Folgende Ansätze können dabei helfen, den Museumsbesuch in ein spannendes Erlebnis zu verwandeln:

  • Digitale Schnitzeljagd: Nutzen Sie interaktive Museums-Apps oder erstellen Sie eine eigene kleine Foto-Rallye, bei der bestimmte Details in den Kunstwerken gefunden werden müssen.
  • Kunst-Detektive spielen: Verwenden Sie den Zoom der Smartphone-Kamera, um winzige Details in einem Gemälde zu entdecken, die mit bloßem Auge kaum sichtbar sind.
  • Kreativ werden: Führen Sie ein kleines Skizzenbuch, in dem das Kind sein Lieblingswerk nachzeichnen oder eine eigene Geschichte dazu erfinden kann.
  • Workshops nutzen: Viele Museen, wie das Kinderreich im Deutschen Museum in München, bieten spezielle Familien-Workshops an, in denen man selbst praktisch tätig werden kann.

Indem wir Kindern beibringen, Kunstwerke als Geschichten, Rätsel oder Ausgangspunkte für die eigene Fantasie zu betrachten, verwandeln wir das Museum von einem stillen Archiv in einen lebendigen Ort des Dialogs – einen Ort, an den sie gerne zurückkehren.

Das Wichtigste in Kürze

  • Kulturelles Erbe ist kein passives Relikt, sondern ein lebendiges System, das unsere Identität durch Sprache, Mythen und Feste aktiv formt.
  • Die Auseinandersetzung mit dem Erbe ist ein Dialog, bei dem wir nicht nur empfangen, sondern durch Engagement und Interpretation selbst zu Gestaltern werden.
  • Alte Traditionen und historische Stätten sind keine reinen Museumsstücke, sondern eine wertvolle Ressource, die Inspiration und Lösungen für die Herausforderungen der Gegenwart bietet.

Das Erbe der Welt: Wie uns antike Stätten und Traditionen helfen, die Probleme von heute zu lösen

Der vielleicht tiefste Wert des kulturellen Erbes offenbart sich, wenn wir es nicht nur als Spiegel der Vergangenheit, sondern als Kompass für die Zukunft begreifen. In einer Welt, die mit komplexen Problemen wie dem Klimawandel, sozialen Spaltungen und der Suche nach nachhaltigen Lebensweisen konfrontiert ist, birgt das über Jahrtausende angesammelte Wissen der Menschheit einen Schatz an Inspiration und erprobten Lösungen. Das kulturelle Erbe wird so zu einer wertvollen Zukunftsressource.

Dieses Prinzip ist keine abstrakte Theorie, sondern findet in der Praxis Anwendung. Ein faszinierendes Beispiel dafür lässt sich in Deutschland finden: Ingenieure, die sich mit modernem Wassermanagement beschäftigen, studieren heute die antiken römischen Aquädukte in der Eifel. Diese fast 2000 Jahre alten Bauwerke sind nicht nur beeindruckende Monumente, sondern auch Zeugnisse einer hochentwickelten Ingenieurskunst. Sie demonstrieren Prinzipien der Wasserführung, der Materialnutzung und der langfristigen Planung, die für die heutigen Herausforderungen im Umgang mit Wasserknappheit und nachhaltiger Infrastruktur von erstaunlicher Relevanz sind. Das antike Wissen tritt hier in einen kulturellen Dialog mit der modernen Wissenschaft.

Diese Perspektive verändert alles. Eine alte Handwerkstechnik ist dann nicht mehr nur Folklore, sondern möglicherweise ein Vorbild für nachhaltige Produktion. Eine traditionelle landwirtschaftliche Methode kann Inspiration für den ökologischen Anbau liefern. Die sozialen Strukturen, die hinter dem Bau einer mittelalterlichen Kathedrale standen, können uns etwas über gemeinschaftliche Projektorganisation lehren. Das Erbe wird zu einer riesigen Bibliothek von Fallstudien über menschlichen Einfallsreichtum und Anpassungsfähigkeit.

Letztlich geht es darum, die universelle Dimension des Erbes zu erkennen, die über nationale oder zeitliche Grenzen hinausgeht. Die offizielle Definition der UNESCO fasst diesen weiten Horizont treffend zusammen:

Das kulturelle Erbe im Sinne der UNESCO umfasst alle bedeutenden Güter und Ausdrucksformen, die die Identität und Geschichte von Gemeinschaften sowie der gesamten Menschheit prägen.

– Deutsche UNESCO-Kommission, UNESCO Kulturelles Erbe Definition

Wenn wir lernen, die Fragen unserer Zeit an die Antworten der Vergangenheit zu stellen, wird das Gedächtnis der Menschheit zu unserem mächtigsten Werkzeug, um eine lebenswerte Zukunft zu gestalten.

Geschrieben von Lukas Richter, Lukas Richter ist ein freier Kulturjournalist und Kunsthistoriker aus Berlin mit über einem Jahrzehnt Erfahrung in der Vermittlung von Kunst und Kultur. Seine Arbeit erscheint regelmäßig in überregionalen Feuilletons, wo er für seine Fähigkeit geschätzt wird, komplexe kulturelle Phänomene zugänglich zu machen.